Juli 2025 / Newsletter
3 Fragen an Nora Josefina Wacker (DUH)

Pfandbecher zurück in den Supermarkt? Was auf den ersten Blick ungewöhnlich klingt, könnte eine echte Alltagserleichterung sein – und ein wirksamer Hebel für die Kreislaufwirtschaft. Gemeinsam mit RECUP, dem digitalen Mehrwegsystem Sykell sowie den Automatenherstellern Tomra und Sielaff hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit Unterstützung der Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt ein Pilotprojekt in REWE-Märkten in Friedrichshain-Kreuzberg gestartet. In ausgewählten Supermärkten können Kund:innen dort Mehrwegbecher über Pfandautomaten zurückgeben. Die Becher werden anschließend gereinigt und erneut in Umlauf gebracht. Erhältlich sind die Becher bei über 80 teilnehmenden Cafés und Restaurants im Bezirk. Wir sprechen mit Nora Josefina Wacker, Projektmanagerin Kreislaufwirtschaft bei der DUH, über erste Erkenntnisse aus dem Piloten und politischen Rahmenbedingungen.
Wohnort: Potsdam
Alter: 29
Beruf: Projektmanagerin Kreislaufwirtschaft
Mein liebster Upcycling-Hack: Kleidung kaufe ich gerne second-hand, meistens passt es aber an irgendeiner Stelle nicht und dann werde ich mit meiner Nähmaschine kreativ.
Mein größter unverzichtbarer Luxus: definitiv meine Familie <3
Mein Lieblingsort in Berlin: Die Bright Site - draußen unter Bäumen bouldern und Kaffee trinken, in welcher anderen Großstadt kann man das schon ;)
Inspiration finde ich: In den vielen Mehrweginitiativen in ganz Europa. Es gibt bereits so viele Ideen für effizientes und verbraucher*innenfreundliches Mehrweg!
Was waren die ersten Aha-Momente im RECUP-Mehrwegbecher-Pilotprojekt in den Rewe-Märkten? Gab es Rückmeldungen von Kund:innen oder Beobachtungen im Marktalltag, die euch überrascht haben?
Wir freuen uns, dass die Berliner:innen die neue Rückgabemöglichkeit der Recup-Becher über die Leergutautomaten als echten Gewinn sehen und die Option mehr und mehr nutzen. Das bestätigt unsere Annahme, dass es für Verbraucher:innen bequem ist, die Mehrwegbecher mit zum nächsten Supermarkteinkauf zu nehmen. Momentan werten wir eine umfassende Befragung unter den Berliner:innen zu dem Mehrweg-Piloten aus, um noch mehr zu lernen. Wir merken bereits jetzt, wie wichtig eine klare Kommunikation bei einem Projekt ist, dass nur in einem begrenzten Stadtgebiet umgesetzt wird. Am Anfang gab es einige Kund:innen, die Recup-Becher in den Märkten zurückgeben wollten, die sie noch bei sich zuhause hatten, die aber nicht mit einem Code für die Automatenrückgabe ausgestattet waren. Es ist natürlich schön zu sehen, dass sich die Logik der neuen Rückgabe überträgt. Gleichzeitig sind das die Einschränkungen eines Piloten, der nicht in der gesamten Stadt umgesetzt wird. Deshalb ist es so wichtig, dass in den gastronomischen Partnerbetrieben das Personal nur codierte Becher ausgibt, obwohl auch Becher ohne Codes aus anderen Bezirken zurückkommen.
Sykell wurde gerade mit dem dem Green Buddy Award 2025 in der Kategorie ReUse und Abfallvermeidung ausgezeichnet. Wie fühlt sich so ein Schulterklopfen von offizieller Seite an – und was heißt das für den weiteren Weg?
Sykell hat mit seiner digitalen Plattform „Circular ERP“ eine notwendige Schnittstelle geschaffen, um Supermärkte und Mehrweganbieter in der Gastronomiebranche miteinander zu vernetzen. Die Plattform ermöglicht das Sammeln und Weitergeben relevanter Daten, beispielsweise über das Erfassen der Becher in der Spülanlage und die Abrechnung der Pfandbeträge. Dadurch entlastet Sykell die Supermärkte erheblich und erleichtert ihnen die Rücknahme verschiedener Mehrwegsysteme. Wir finden es wichtig, dass die Vorteile dieses Systems auch von offizieller Seite anerkannt werden, um das Konzept weiter zu verbreiten. Gleichzeitig bietet die von Sykell geschaffene Logistik der Reinigung der Becher das Potenzial für die Gastronomie, das Handling von Mehrweg zu vereinfachen. Eine bundesweite Ausweitung der systemübergreifenden Rücknahme in Supermärkten wäre ein wünschenswerter nächster Schritt.
Kreislaufwirtschaft ist in aller Munde – aber was braucht es deiner Meinung nach ganz konkret, damit Mehrweg nicht nur Option, sondern Alltag wird?
Konkret braucht es zunächst faire Wettbewerbsbedingungen – also ein „Level Playing Field“ – zwischen Mehrweg- und Einwegverpackungen. Das kann erreicht werden, indem die Umweltkosten von Einwegverpackungen in deren Preis einfließen, beispielsweise durch eine kommunale – oder besser noch eine bundesweite - Einwegverpackungssteuer. Durch den Aufpreis auf Einweg hat die Gastronomie endlich einen Anreiz, Mehrweg vermehrt zu nutzen. Das [TS2] zeigt sich bereits in der Stadt Tübingen, die seit 2022 die Einwegsteuer umsetzt. Zusätzlich könnte ein Förderfonds für Mehrwegsysteme den flächendeckenden Aufbau und die schnelle Verbreitung entsprechender Infrastrukturen in ganz Deutschland maßgeblich vorantreiben. Damit Mehrweg in die Breite kommt, sollte in den Ausgabestellen wie Cafés, Restaurants und Co zudem darauf geachtet werden, dass Mehrweg gut sichtbar ist und den Kund*innen möglichst bei jedem Bestellvorgang proaktiv angeboten wird.