3. September 2021 | Newsletter

3 Fragen an:

Hajo Toppius vom Künstler:innenkollektiv Selbstgebaute Musik

Was man aus einem alten Wasserschlauch, Sektkorken, Isolierband und einem Trichter herauskriegt? Wir haben keine Ahnung, aber das Künstler:innenkollektiv Selbstgebaute Musik kann daraus zum Beispiel eine „Lochschlauchtrompete“ bauen. Auf dem RAW-Gelände in Berlin lagern sie noch viel mehr Musikmaterial wie Blechdosen, Fahrradreifen oder pinke Kloschüsseln, um daraus neue Klänge entstehen zu lassen. Make some noise für:

Mann mit Bart hält sich das Verbindungsstück eines Abflussrohrs an das linke Ohr und lauscht.
FOTO Olga Blackbird

Name: Hajo Toppius
Alter: 46
Wohnort: Berlin
Beruf: Sachenausdenker bei der Künstler:innengruppe Selbstgebaute Musik.

Der beste DIY-Rat, der mir je gegeben wurde:
Mit einem Ballon kannst du aus fast allen Rohren eine Tröte bauen.

Mein wichtigstes Werkzeug:
Mein Mund – zum Reden, Pusten, Singen.

Diesen Sound vergesse ich nie:
Wie die Steinplatten vorm Gesundbrunnen-Center klingen. Sie gehören jetzt zu unserer erfahrbaren Klangkarte für das Festival für Selbstgebaute Musik.

Ohne diesen Podcast verstehe ich die Welt nicht:
Schallplatten sind mir lieber.


Diesen Berliner Ort besuche ich regelmäßig:
Unser neues Labor im Haus der Materialisierung am Alex, wo wir gerade aus ausgemusterten Toilettenschüsseln und Plastikrohren eine Kloraborationsorgel bauen.

Euer Künstler:innenkollektiv „Selbstgebaute Musik“ baut aus recycelten Materialien Instrumente. Warum sollte man mal auf einem Abflussrohr tröten?
Wenn wir etwas bauen, geht es uns nicht darum, perfekte Instrumente zu erschaffen oder mit dem ausgefuchsten Instrumentenbauhandwerk in Konkurrenz zu treten. Wir wollen sichtbar und erfahrbar machen, wie ein Ton entsteht. Das kann zum Beispiel eine Gymnastikballorgel sein, bei der sitzend bzw. hüpfend mit dem Hintern (auch in einer größeren Gruppe) ein rhythmischer Track gespielt werden kann. Es ist erstaunlich, was alles zum Klingen gebracht werden kann.

Ist das wirklich Musik oder eher, ähm, Noise?
Das hängt natürlich in allererster Linie vom Musikbegriff ab und ist von Instrument zu Instrument unterschiedlich. Gerade die westliche Musikkultur ist ja eine Geschichte der Normierung – wie zum Beispiel die Entwicklung des klassischen Orchesters im 18. Jahrhundert zeigt. Dagegen ist Unperfektion schon auch mal spannend. In der afrikanischen Musikkultur gibt es das viel mehr. Wir wollen zum Experimentieren und auch zum Spiel mit Aufführungssituationen ermutigen.

Ihr macht auch Workshops mit Kindern und Jugendlichen. Was gibt es für sie dabei neben Krawall und Remmidemmi zu lernen?
Um musikalische Prozesse zu verstehen, bauen wir zum Beispiel Trommelrasseln aus zwei Membranen aus Ballonresten, in die unterschiedliche Materialien gefüllt werden. Da muss man dann erraten: Wie klingt eine Eichel, Sand, Kies – oder Blätter? Auf unserem diesjährigen Festival wollen wir uns aber auch um die Kunst des Zuhörens kümmern. Zum Beispiel versuchen wir in diesem Jahr das ganze Festival zu muten, indem wir den Gassenhauer der zeitgenössischen Musik 4’33” von John Cage aufführen – ein Stück, wo nix passiert, zumindest nichts musikalisch Vorgeplantes. Stille ist ja auch sehr spannungsvoll.

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