2. August 2024 I Newsletter
3 Fragen an:
Rasa Weber und Luisa Rubisch, Designerinnen
Jedes Jahr fallen allein in Berlin mehrere Millionen Tonnen Bauschutt an. Wie lassen sich die Überreste aus alten Gebäuden wiederverwenden und im Kreislauf halten? Damit beschäftigten sich die Designerinnen Rasa Weber und Luisa Rubisch. Sie entwickelten das Produkt Urban Terrazzo. Es eignet sich für Böden, Tische oder Arbeitsplatten in der Küche. Die Designerinnen wurden mehrfach ausgezeichnet. Wir sprechen darüber mit den beiden.
Name: Rasa Weber & Luisa Rubisch
Wohnort: Berlin
Alter: beide 34
Beruf: Designerin
Der beste Upcycling-Hack ist: Mit der Natur zu kooperieren! Nicht Upcycling, sondern zirkuläres Design mit der Umwelt. Die Umwelt kennt keinen Abfall, nur metabolische Systeme.
Inspiration finden wir: in der Beobachtung bestehender Stoffkreisläufe.
Unser größter unverzichtbarer Luxus: Die Freiheit zu nutzen, frei zu denken.
Lieblingsort in Berlin: der Bergmannfriedhof
Was unterscheidet Urban Terrazzo von anderen recycelten Baumaterialien?
Mit Urban Terrazzo haben wir uns dem Thema der Baustoffabfälle gewidmet, die immer noch den größten prozentuellen Anteil des Abfallaufkommens ausmachen. Auch wenn in der Baubranche langsam ein Umdenken stattfindet, liegen recycelte Baustoffe immer noch weit hinter neuen Baustoffen zurück – das liegt nicht zuletzt am Preis, der viele Recyclingbaustoffe immer noch nicht konkurrenzfähig macht. Hier muss ein Umdenken in der Baubranche stattfinden. Recycling ist kein Luxus, sondern sollte die Grundvoraussetzung von Bauprojekten in Zeiten der ökologischen Krise sein. Im Unterschied zu anderen Recyclingprodukten nimmt Urban Terrazzo auch die Ästhetik des Materials in den Blick, um die Wiederverwertung von mineralischem Baustoff zu einer historischen Spur im Gebäude werden zu lassen.
Ihr habt das Produkt entwickelt, um die Kreislaufwirtschaft in der Baubranche voranzubringen und weiterzudenken. Welche Erfolge seht ihr?
In den vergangenen Jahren lässt sich ein zunehmendes Interesse an Recyclingmaterial in Bauprojekten verzeichnen. Noch immer sind viel zu wenige Projekte grundlegend der ausschließlichen Nutzung von Reststoffen in der Architektur verschreiben. Dennoch ist die Wende eingeleitet. Junge Unternehmen wie Concular und Trash Galore setzten sich für die aktive Wiederverwendbarkeit alter Baustoffe ein. Urban Terrazzo bringt hier außerdem die Möglichkeit ins Spiel, Reststoff direkt vor Ort wiederzuverwenden und so alte, aus der Mode gekommene oder defekte Materialien (Steinplatten, Waschbeton, Keramikfliesen, Klinker Ziegel) in neuem Gewand direkt vor Ort wieder einsetzbar zu machen. Ein Kreislauf, der Geschichte(n) erzählt.
Ihr seht eure Aufgabe als Designerinnen mittlerweile darin, euch an Ausstellungen zu beteiligen und Vorträge zu halten. Was möchtet ihr vermitteln?
Als Designerinnen und Lehrende an Hochschulen wollen wir eine neue Stoßrichtung im Design prägen. Was in Zeiten der ökologischen Transformation notwendig erscheint, ist ein grundlegendes Umdenken, das über das Recycling hinausgeht. Es geht keineswegs nur darum, alte Industrieabfälle wiederzuverwenden – dies ist nur der erste Schritt – sondern neue Strategien des Designs zu entwickeln, die nicht gegen, sondern mit der Natur arbeiten. In der Evolutionsgeschichte waren jene Konzepte, Lebewesen und Organismen am erfolgreichsten, die sich in symbiotischem Zusammenschluss mit anderen Lebewesen zur Kollaboration entschieden haben (siehe die Evolutionstheorie von Lynn Margulis). Die neue Wende im Design sollte sich auf die Grundannahme stützen, in symbiotische Beziehung mit der Umwelt zu treten. Durch Design. Durch Architektur. Durch Wissenschaft und Materialforschung. Eine Strategie, die Rasa Weber als SYMPOIETIC DESIGN bezeichnet.