November / Newsletter

Drei Fragen an Earthbound

Interview
Earthbound haben eine Kreislaufführung für Baumaterialien entwickelt.
Earthbound
Earthbound haben eine Kreislaufführung für Baumaterialien entwickelt. Genauer gesagt, nutzen sie Abfallstoffe aus Berliner Baustellenaushub und machen aus ihm leistungsfähige, wieder einsetzbare Lehmbaustoffe. Das ist ressourcenschonend, spart Primärenergie und verlängert übliche Haltbarkeiten der Materialien um etwa 30–50 Jahre deutlich. Ihre umweltfreundliche Baustoff-Alternative kommt dabei vollständig ohne Brennprozesse oder chemische Zusätze aus. Die Produktions-Emissionen konnten dadurch um das 20-fache reduziert werden. Der neue Baustoff birgt etliche Vorteile: wohngesunde Räume, negative Materialkosten, energieeffiziente Prozesse und regionale Produktion. Die drei Inhaber wurden mit ihrem Projekt jüngst mit einem Green Buddy Award ausgezeichnet. Wir haben mit Micha Kretschmann (Foto: Mitte) über die Berliner Baubranche, konventionelle Produkte im Wandel und die Chancen Berlins gesprochen. über die Berliner Baubranche, konventionelle Produkte im Wandel und die Chancen Berlins gesprochen.
 
Name: Micha Kretschmann
Wohnort: Berlin-Schöneberg
Alter: 30
Beruf: Researcher, Co-Gründer von Earthbound
Mein liebster Upcycling-Hack: Lehmsteine aus Berliner Baustellenaushub herstellen.
Mein größter, unverzichtbarer Luxus: Kaffee
Mein Lieblingsort in Berlin: das Tempelhofer Feld
Inspiration finde ich: in der Natur
 
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft in der Baubranche – das klingt nach viel Überzeugungsarbeit. Müssen Sie viel reden oder verkauft sich Ihr Produkt von selbst?
    
Wir erleben, dass das Bewusstsein für nachhaltiges Bauen und zirkuläre Materialnutzung spürbar wächst – bei privaten Bauherr:innen ebenso wie bei Planenden, Verwaltungen und Institutionen. Viele Menschen suchen heute aktiv nach Wegen, ökologisch zu handeln – nicht nur im Konsum, sondern auch im Umgang mit der gebauten Umwelt.
    
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Etwa 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen, 35 Prozent des Ressourcenverbrauchs und rund 30 Prozent des Abfallaufkommens entfallen auf die Bauindustrie. Die Antwort von Earthbound darauf sind kreislauffähige, gesunde Lehmbaustoffe – hergestellt aus Sekundärrohstoffen, hochwertig in der Anmutung, langlebig in der Nutzung.
    
Das Interesse an diesen Lösungen ist groß. Natürlich braucht es weiterhin viel Aufklärungsarbeit und Dialog, insbesondere im Umgang mit neuartigen Materialien. Aber wir spüren eine echte Offenheit – und oft reicht ein Blick auf die Fakten, um ein Gespräch in Bewegung zu bringen.
 
Earthbound wurde in diesem Jahr mit dem Nachhaltigkeitspreis des Business-Plan-Wettbewerbs Berlin-Brandenburg ausgezeichnet. Wie fühlen Sie sich damit und was sind Ihre nächsten Pläne?
 
Die Auszeichnung ist für uns eine große Anerkennung und ein starkes Zeichen, dass unsere Ansätze im Bereich zirkuläres Bauen wahrgenommen und als relevant eingeschätzt werden. Sie motiviert uns, weiter mutige und konsequente Wege zu gehen.
 
Noch wichtiger als der Preis selbst ist für uns aber die Sichtbarkeit, die damit verbunden ist – und vor allem die Möglichkeit, neue Netzwerke zu knüpfen. Als lokaler Akteur der Bauwende möchten wir mit Earthbound aktiv dazu beitragen, Berlin in Richtung Zero-Waste-Stadt weiterzuentwickeln.
 
Das schaffen wir nicht allein. Dafür braucht es starke Partnerschaften, interdisziplinäre Zusammenarbeit und den gemeinsamen Willen zur Veränderung. Durch den Wettbewerb haben sich neue Anknüpfungspunkte ergeben, die wir nun gezielt weiterverfolgen.
 
Wenn Sie sich etwas für die Zukunft Berlins wünschen könnten – was wäre das?
    
Seitens Earthbound wünschen wir uns, dass Berlin den Mut findet, Stadtentwicklung konsequent ökologisch und ressourcenschonend zu denken – und dabei die gebaute und die natürliche Umwelt nicht als Gegensätze, sondern als ein zusammenhängendes System versteht.
    
Ein zentraler Schritt wäre, versiegelte Flächen zu öffnen und den Bestand kreativ weiterzunutzen – anstatt ständig neu zu bauen. Das schafft Raum für Biodiversität, Lebensqualität und soziale Teilhabe. Gleichzeitig sehen wir großes Potenzial in der konsequenten Förderung nachwachsender und zirkulärer Baustoffe. Sie ermöglichen gesunde, langlebige Räume ohne petrochemische Belastungen und leisten einen wesentlichen Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz.
    
Berlin kann hier Modellstadt werden – wenn es gelingt, innovative Ansätze mit politischer Entschlossenheit und gesellschaftlicher Offenheit zusammenzubringen.