1. September 2023 I Newsletter

3 Fragen an:

Thore Hildebrandt, Nachhaltiger Koch für kreative, pflanzliche Kocherlebnisse

Die Bananen sind viel zu reif, die Karotten schrumpelig. Wirf sie nicht weg, mach daraus ein köstliches Retter-Menü. Tipps bekommst du von Thore Hildebrandt. In seinen Kochkursen verwendet er Zutaten, die oft achtlos im Müll landen statt auf dem Teller. Strunk, Blätter, Schalen – alles kannst du verwenden. Das Grün der Radieschen für ein wunderbares Pesto, Kohlrabiblätter für herrliche Sommerrollen und Gemüseschalen für einen leckeren Fond. Thore Hildebrandt war 18 Jahre lang Banker, dann hat er Anzug gegen Schürze getauscht. Als veganer Koch möchte er Menschen inspirieren, den eigenen Konsum zu überdenken und weniger Lebensmittel zu verschwenden. Ganz einfach und einfach köstlich! Versprochen!

Thore Hildebrandt Hochformat
Foto: Tobi Bohn

Name: Thore Hildebrandt

Alter: 46

Wohnort: Berlin

Beruf: Nachhaltiger Koch für kreative, pflanzliche Kocherlebnisse

Der beste Rat, der mir je gegeben wurde: Wenn du Heimweh hast, fahr nach Hause zu deinen Liebsten! Hör auf dein Herz!

Mein größter unvernünftiger, aber unverzichtbarer Luxus: Ich bin ein Apple Boy - Laptop und Telefon sind fast unverzichtbar. 
Mein liebstes Reste-Essen ist: Ich liebe Nudeln. Jegliche Art von Pasta – gern inspiriert von der japanischen Küche als Ramen Suppe – mit Resten vom Vortag.

Auf diese Zutat kann ich nicht verzichten: Pilze und Sojasauce

Dieser Ort in Berlin inspiriert mich besonders: Das vegane Zero Waste Restaurant FREA in Berlin-Mitte. Toll, was dort auf die Beine gestellt wurde. Fällt mir gerade auf, dass ich lange Zeit nicht mehr da war!

Wie kam es dazu, dass du deinen Job als erfolgreicher Investmentbanker aufgegeben hast, um als veganer und nachhaltiger Koch neu durchzustarten? 
Geld ist nicht alles. Mein Job als Banker hat mir fast immer Spaß gemacht und ich möchte die Zeit nicht missen. Aber irgendwann habe ich mich gefragt, was mache ich hier eigentlich und möchte ich das bis zur Rente weitermachen? Ich wollte keiner dieser Menschen werden, die sich nur über ihren Job und Geld definieren. Ich wollte vielmehr etwas mit meinen Händen erschaffen, sehen, was ich am Ende des Tages erreicht habe und gemeinsam mit Menschen kochen - fast so wie „Kochen mit Freunden“. Bis ich meine neue Passion und Nische als Nachhaltiger Koch für kreative pflanzliche Kocherlebnisse gefunden hatte, vergingen gut zwei Jahre. Das war 2018 und 2019.

In deinen Kochkursen und Koch-Events verwendest du gerettete Lebensmittel. Zwischen den einzelnen Gängen erzählst du etwas über die einzelnen Zutaten. Was möchtest du vermitteln? 
Wer schmeißt schon gern Lebensmittel weg? Niemand. Am Anfang habe ich viel mit geretteten Lebensmitteln gekocht, die ich in Supermärkten von Sirplus gekauft habe. Leider bieten sie nur noch Onlineversand an. Seitdem koche ich mit Bio-Lebensmitteln und verwerte möglichst alles, was uns die Natur gibt. Natürlich nur, was essbar ist. Zero Waste hat aber viel mit Gewohnheiten zu tun.
Ich möchte zeigen, dass wir Blattgrün durchaus mitessen können, dass wir nur äußerst selten Gemüse schälen müssen. Naja, bei der Zwiebel und beim Knoblauch empfehle ich es. Ich kläre über das Mindesthaltbarkeitsdatum auf, wo jede:r selbst Lebensmittel retten kann oder wo es Informationsquellen gibt.

Darüber hinaus zeige ich, wie vielseitig die pflanzliche Küche ist, welche Garmethoden es gibt und dass niemand mehr Angst vor langweiligen Hülsenfrüchten, labberigem geschmacklosen Tofu oder weichen Pilzen haben muss. 
 
Deine Vision ist: die Welt leckerer und ein Stückchen besser zu machen. Wie schaffen wir es, uns von alten Gewohnheiten zu trennen und mehr Nachhaltigkeit in unsere Küche zu bringen? 
Oft höre ich das Wort Verzicht. Damit ist eine nachhaltige Küche nicht gleichzusetzen. Mir geht es darum, schmackhafte und gesunde Alternativen aufzuzeigen. Mein Wunsch ist es, dass die Teilnehmer:innen meiner Kurse neugierig sind und neue Gerichte probieren und dann idealerweise in ihren Alltag und Speiseplan mit aufnehmen. Der Schlüssel ist die Reduktion des Verzehrs und damit auch der Rückgang der Produktion tierischer Produkte. Wenn wir mehr schmackhafte pflanzliche Gerichte auf den Speisekarten haben, die vielleicht gar nicht als solche gekennzeichnet sind, dann steigt auch die Akzeptanz – so zumindest meine persönliche Erfahrung.

Und wir sollten uns wieder unserer Sinne bedienen, wenn es um das Thema Mindesthaltbarkeitsdatum (MDH) geht. In Deutschland schmeißt jede:r Vierte –statistisch gesehen Lebensmittel nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums weg, teilweise sogar früher. Das geht gar nicht, zumal das MHD erst vor 42 Jahren in Deutschland eingeführt wurde. Da stelle ich immer die Frage: „Wie haben das andere Generationen vor uns gemacht?“

Und zu guter Letzt, lasst uns bereits in der Kita und an den Schulen über das Thema sprechen und mit den Kids intuitiv kochen und ausprobieren. Und natürlich auch die Gastronomie schulen, denn der Weg zu mehr pflanzlichen Gerichten auf unseren Tellern ist der einzige Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Küche.

Full Taste, Zero Waste