1. September 2022 | Ausgabe 22

Die Briefeschreiberin

SKYE NEVILLE (11), Wales

ILLUSTRATION Silke Werzinger
Bildercollage: Portrait eines Mädchens mit rotem Spielzeugfrosch
Es war einmal ein Mädchen im walisischen Fairbourne, das sehr gern Kinderzeitschriften las. Sie hatte einige abonniert und freute sich auf die Comics, die Fachartikel, die Witze. Aber was Skye nicht mochte, waren die merkwürdigen Plastikfiguren, die den Zeitschriften häufig beilagen. Hässliche Plastikfrösche, Skelett-Kugelschreiber, Gummizungen. „Wer braucht denn so einen schrecklichen Plunder?“, fragte sie sich immer wieder. „Ich wette, die meisten Abonnenten schmeißen das nach kurzer Zeit einfach weg!“ Skye wusste, dass Plastik ein großes Problem für die Umwelt ist. Schließlich lebte sie nicht weit vom Meer entfernt und sammelte am Wochenende den unendlichen Strom von unvergänglichem Plastik auf ihren Strandspaziergängen ein. Plastikabfall, das verstand Skye schon früh, ist für unseren Planeten kein Spielzeug.
Illustration einer Sprechblase mit dem Text: Niemand kann von heute auf morgen allein das globale Plastik-Dilemma lösen. Aber man kann sich einen kleinen Aspekt davon herauspicken.

Im November des Jahres 2020 brachte ihr Vater, der der Postbote von Fairbourne war, wieder eines ihrer Hefte mit nachhause: „Horrible Histories“, ein Magazin voller Gruselgeschichten für Kinder. Das Erschreckendste am Heft war für Skye aber, dass wieder Schleimknete, falsche Mäuse, Gebisse und Stinkefinger dabeilagen – alle einzeln in Plastikverpackungen verschweißt und das ganze Magazin zusätzlich von einer Plastikhülle umgeben. Noch bevor ihr Vater von seiner Runde aus dem Ort zurück war, hatte Skye eine Beschwerde an den Verleger geschrieben. Die könne er gleich mitnehmen. „Die Antwort war genauso ein Müll wie die Extras des Heftes“, sagt Skye: Man sorge sich sehr um die Umwelt, aber die Kinder liebten nun mal die Plastikspielzeuge und könnten ja auch mehr als einmal damit spielen. „Ein fürchterliches Blabla!“

Skye wurde immer wütender. Nur zwei Monate später, im Januar 2021, startete sie eine Online-Petition auf der Plattform change.org. Darin stand: „Ich fordere die Verleger von Comics und Magazinen auf, sich wirklich um die Umwelt zu sorgen und ihren Publikationen kein Plastikspielzeug beizulegen.“ Bis heute haben über

65.000 Menschen unterschrieben, viele Medien wie die BBC haben darüber berichtet und auch Umfragen gemacht: Demnach wollten 80 Prozent aller Kinder in Großbritannien kein Plastikspielzeug in ihren Magazinen. Die viertgrößte Supermarktkette der Insel, Waitrose, hat daraufhin bekannt gegeben, solche Zeitschriften aus dem Sortiment zu werfen, wenn sie sich nicht von ihrem Plastikabfall trennen. Aber Skye ging noch weiter: Sie kontaktierte ihre zuständige Abgeordnete für Wales, die ihr Anliegen ins Parlament eingebracht hat – und bekam Unterstützung. Wie auch in der Europäischen Union sind im Vereinigten Königreich bereits bestimmte Einweg-Plastikprodukte verboten – in der nächsten Legislaturperiode wolle man Zeitschriftenverpackungen und Plastik beigaben angehen. Demnächst will Skye mit prominenter Unterstützung die Kampagne neu entflammen und weltweit Aufmerksamkeit schaffen. „Niemand kann von heute auf morgen allein das globale Plastikdilemma lösen“, sagt sie. „Aber man kann sich einen kleinen Aspekt davon herauspicken, das geht schneller.“ „Horrible Histories“ verschickt der Verlag jetzt übrigens ohne Plastik.

Illustration eines Gehirns mit dem Text: Change.org Ban plastic toys from comis.

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